Tiere – Heiliges Geheimnis.
von Martin A. Ciesielski

Das Tier ist das atmende Wesen. Das anima, die Seele.
Wenn wir uns als zunehmend seelenlos erleben, dann liegt das daran, dass wir dem Leben die Seele austreiben. Ausgetrieben haben. Die letzte Seele ist nun im Tier. Das Tier ist die Seele. Jedes atmende Wesen ist Seele.

Was haben wir gegen die Seele? Warum wollten und wollen wir sie loswerden? Was reizt uns am Seelenlosen? Es ist die Erkenntnis.

Wir wollen alles erkennen. Sind neugierig. Wollen unter die Oberflächen schauen, unter die Wasseroberflächen schauen. In die Tiefen der Seen, wo die Seelen ruhen und leben.

Doch die Seele lebt eben im Dunklen. Im Unbekannten. Im Geheimnis.

Sollten wir das Geheimnis womöglich als etwas Heiliges anerkennen? Als etwas Unantastbares? Aber wohin dann mit unserer Neugier? Mit unserem Drang zum Wissen, zum Forschen, zum Lernen, zum Wachstum?

Womöglich hatten wir den falschen Weg zur Erkenntnis eingeschlagen. Im Englischen heißt „Aufklärung“ „Enlightment“ – Erleuchtung. Es galt, Licht in die Dunkelheit zu bringen. Uns sollten massenweise Lichter des Erkennens und der Erkenntnis aufgehen. Dies geschah im wahrsten Sinne des Wortes durch die Elektrizität, durch Glühbirnen, durch Elektronenmikroskope, Glasfaserkabel, LED-Displays.

Wir alles wissen jedoch, dass wo viel Licht, auch viel Schatten ist. Immer sein wird. Doch unabhängig vom Schatten, gibt es ohne Licht eben auch die Dunkelheit. Die Dunkelheit kann erforscht werden – nur eben nicht mit Hilfe von Licht, da sie dann weicht. Die Dunkelheit ist dem Licht unverfügbar.

In der Dunkelheit liegt aber auch Wissen verborgen. Eine andere Qualität von Wissen. Wissen, das nicht die Dunkelheit verdrängen will, sondern Wissen, dass in die Dunkelheit vordringt. Mystisch. Mit geschlossenen Augen. In die Seele hinein.

Die Dunkelheit bewahrt ihre Geheimnisse. Sie ist ein Geheimnis. Sie verhüllt, verdunkelt, macht das Sehen unmöglich. Dort atmen wir mit geschlossenen Augen. Dort sind wir atmende Wesen. Tiere. Lebendig. Kraftvoll. Unendlich endlich. Zerbrechlich. Nichts.

Dort, im heiligen Geheimnis der Finsternis geht unsere Reise weiter. Nur dort lassen wir Leben zu. Führen wir uns zurück in die Lebendigkeit. Atmen wir unsere Seele. Spüren, was es heißt, in Frieden zu sein. In Frieden zu leben.

Auf in die Dunkelheit! Hinein in das geheime Leben jenseits von Social Media, den Scheinwerfern, der Überwachung, dem Tracking, dem Präsentieren und der immerwährenden Erreichbarkeit.

Lasst uns selbst wieder zu Geheimnissen werden. Zu Atem. Zu Tieren. Zur Dunkelheit.