Die Grenzen der Naturwissenschaften und die Kraft der dramatischen Logik
von Martin A. Ciesielski
Hier stehen wir nun, wir Tore und sind vermeintlich klüger als zuvor, doch ermangelt es uns an dramatischen Kompetenzen. Denn die menschliche Existenz auf diesem Planeten ist zuallererst eines: Dramatisch. Sie besteht aus unauflösbaren Widersprüchen, Tragik, Emotionen, Überraschungsmomenten, lustigen Episoden, schicksalshaften Ereignissen, Geburten und Verlusten – durch den unabwendbaren Tod.
Allerorts wird medial und von vielen Menschen behauptet, dass uns die Wissenschaft in der Klimakrise und bei Corona den Weg weisen wird. Damit sind in erster Linie die Naturwissenschaften gemeint und jene Disziplinen, die sich für solche halten – wie u.a. die Volkswirtschaft oder die BWL. Darin unterscheiden sich eine Greta Thunberg und eine Luisa Neubauer kaum bis gar nicht von einem Elon Musk oder einem Mark Zuckerberg. Während sich die einen auf die Klimawissenschaften oder die Virologie beziehen, nutzen die anderen die eher ingenieurswissenschaftlichen Disziplinen des Maschinenbaus oder der Informatik mit Anleihen bei der Angewandten Psychologie (Stichworte: UX und Sozialpsychologie) und der BWL (Geschäftsmodelle, Investitionsrechnungen, Abschreibungen etc.). Wieder einmal sind es die vermeintlich weniger „anwendungsorientierten“, kaum bis gar nicht mit Wahrscheinlichkeiten operierenden Wissenschaften, die Geisteswissenschaften und speziell die Künste, die Theater-, Film-, Musik- oder Literaturwissenschaften, die bei dem Appell, man solle auf die Wissenschaft hören, sehr schnell ins Hintertreffen geraten.
Nichts geht ohne Drama
Dabei ist es doch gerade die dramatische Art und Weise, mit der Fridays for Future- Aktivistinnen auf die Naturwissenschaften verweisen, die uns aufhorchen lassen.
Ist es nicht die dramatische Artikulations- und Sprechweise einer Influencerin wie Mai Thi Nguyen-Kim, die ihre Botschaften für die einen erst wirklich relevant und für die anderen schwer zugänglich macht?
Wer das Treffen zwischen Olaf Scholz und den Aktivisten von „Die letzte Generation“ gesehen hat, der oder dem dürfte sehr schnell aufgefallen sein, dass es sich dabei um eine hochdramatische Begegnung handelte, in der es sogar zu Zuschreibungen von Größenwahn kam! Wo sonst, als in Shakespearschen Dramen wird mit solchen Kategorien gearbeitet?
Und wenn wir schon bei den großen Dramen und ihren (tragischen) Helden sind: Ist es am Ende nicht jener dramatische Größenwahn eines Elon Musk, eines Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg, die ihre Aktivitäten zu interaktiven Technologie-Dramen werden lassen – mit finanzieller und aktiver Beteiligung der Kunden sowie der Aufmerksamkeit des übrigen Publikums?
Während nun die einen die Geschichten erzählen, die ein Großteil der Politik und die Finanzmärkte hören wollen, gibt es auf der anderen Seite die, die ihre ganz eigenen dramatischen, gemeinschaftsbildenden Geschichten erzählen. Dazu zählen von Klima- und Politaktivisten über Corona-Gegner/Leugner bis hin zu AfD-Anhängern alle, die sich einen eignen Reim auf die Welt machen, eine Sinnhaftigkeit in ihrem gemeinsamen Tun und Denken finden wollen. Und die vor allem ihre Emotionen und Gefühlswelten teilen, ja gemeinsam durchleben wollen. All jene, die es nicht mehr aushalten, mit alledem ganz allein konfrontiert zu sein.
Gemeinschaftsbildende Gefühle
Vieles, was wir momentan medial erfahren oder direkt persönlich erleben, überfordert uns emotional und kognitiv zunehmend. All die schrecklichen Ereignisse und Entwicklungen auf der Welt, von Corona über Flüchtlingsdramen, über Umweltkatastrophen und Kriege bis hin zu den Gefahren des Klimawandels, überfordern das Individuum.
Sei es in Hinblick auf die eigenen Möglichkeiten, zu helfen, sei es in Hinblick auf den eigenen Beitrag zu möglichen Lösungen oder schlicht und ergreifend in Hinblick auf die Selbstwirksamkeit für das eigene psychische und physische (Über-)Leben.
Eingewoben in die alltäglichen Dramen und die damit verbundenen Gefühle scheinen immer mehr Menschen zu merken, dass die individualistische Lebensweise bei der emotionalen Bewältigung all dessen nicht sehr hilfreich ist. Es braucht die gemeinsame Wut, die gemeinsame Trauer, die gemeinsame Freude. Der Love-Parade scheint nun zeitgleich die Klima-Parade, mit der Zweifel-Parade, der Wut-Parade und der Trauerparade zu folgen – ergänzt um die Humor-Parade der Jecken – trotz oder gerade auch wegen Corona.
Geteilte Wut, geteilte Trauer, Geteilter Zweifel sind dabei nicht jeweils nur noch die Hälfte, sondern sie ergänzen sich, bestätigen sich, erhöhen und verstärken sich teilweise sogar. Damit entstehen aus den Ohnmachtsgefühlen, gemeinschaftliche Momente von Kraft und Sinn.
Wenn mehrere Menschen die gleichen Gefühle teilen – dann muss doch was an ihnen dran sein! So werden aus Zweiflern und hilflosen, vermeintlich schwachen Individuen im Angesicht der chaotischen Herausforderungen, kraftvolle Gemeinschaften. Gemeinschaften, die sich ihre eigenen, sinngebenden Geschichten erzählen. Geschichten über das, was geschehen ist, was geschieht und was womöglich in naher oder ferner Zukunft geschehen wird.
Transformatives Stürmen und Drängen
Das verbindende Drama, die geteilten Emotionen und Geschichten scheinen Kräfte zu mobilisieren. Womöglich entsteht das Drama aber auch aus Kräften heraus, die sich darzustellen, zu artikulieren versuchen. Verschiebungen im kollektiven Unbewussten. Neues, das an die Oberfläche drängt. Altes, das stirbt.
Die Philosophin Nika Wiedinger stellt in diesem Zusammenhang die Frage, wie man wohl etwas Neues beginnt, wenn es gleichzeitig darum geht, das Alte zu verabschieden. Kann man beides gleichzeitig tun? Was geschieht, wenn man nur das eine tut und das andere nicht? Woher die Zeit nehmen, um beides zu tun? Und wie klärt eine Gesellschaft, was es zu verabschieden gilt und was als das Neue in die Welt gebracht werden soll? Welche Gefühlslagen kommen dabei ins Spiel? Welche Gedanken?
Bei derart hochkomplexen, ja chaotisch drängenden Transformationsprozessen geht es alles andere als planvoll, rational oder linear zu.
Wir werden es kaum schaffen, uns aus all diesen miteinander verbundenen Krisen und überraschenden Entwicklungen planvoll hinaus zu managen. Es wird keine naturwissenschaftlich begrenzten Experimente in Laboren geben. Alles was uns als Handlungsraum bleibt ist der Raum des Dramatischen.
Es wird zu sehr, sehr traurigen Verlusten kommen – menschlichen, finanziellen und kulturellen. Wir werden uns von Werten verabschieden müssen. Wir werden erleben, dass wir manche Werte nur auf Kosten anderer Gesellschaften, anderer Kulturen und des Planeten hochhalten und leben konnten. Neue, andere Werte werden an Einfluss und Kraft gewinnen.
Wir erleben bereits heute, dass es mächtige Individuen, Gruppen, Organisationen und Institutionen gibt, die sich in diesem Prozess auf Kosten Schwächerer durchsetzen. Wie lange und in welchen Bereichen vermag niemand zu sagen.
Wir werden sehen, dass manche Freunde oder Familienmitglieder mit diesen Belastungen besser umgehen werden, ja sogar mehr Vorteile daraus für sich ziehen können, als wir selbst. Andere werden womöglich krank werden, ihre Arbeit oder Angehörige verlieren oder sich selbst.
Vieles, was wir bislang für wichtig erachtet hatten, werden wir hinter uns lassen müssen. An anderen Werten werden wir so lange festhalten, wie wir können. Bis es nicht mehr geht. Aus welchen Gründen auch immer.
Eine Welt wird untergehen, wie damals für die Menschen in der DDR. Nur dass es diesmal keine Welt geben wird, die als bessere oder schlechtere Alternative zur Verfügung steht. Nichts, an dem man sich reiben kann, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Kein Vergleichsmaßstab. Vor uns: Ein großes, stürmendes, unbekanntes Nichts.
Dramatische Logik
Warum dieses Nichts? Weil ein 1,5-Grad-Ziel ein Zahlenwert ist. Nicht mehr und nicht weniger. Genauso wie Inzidenzen oder Intensivbett-Kapazitäten. Zahlen von Erkrankten, Geimpften, Genesenen und Impfdurchbrüchen. All das sind mehr oder weniger naturwissenschaftliche, mathematisch-logische Rationalitäten. Rationalitäten, die auf ihre Art und Weise auf das Dramatische zwar verweisen, aber elendig daran scheitern, es zu benennen oder ihm einen emotionalen Raum, eine dramatische Bühne, eine kraftvolle Erzählung zu bieten, die es anzustreben gilt.
Das meiste von diesen Zielen sind schlicht und ergreifend technokratische Vermeidungsziele, kombiniert mit düsteren, apokalyptischen Szenarien ohne Dramaturgie. Nichts Sinnstiftendes, nichts was man erreichen möchte, nichts wo man hin will, nichts wonach ein sehnsuchtsvolles Verlangen besteht – so wie es das himmlische Jenseits, das Paradies oder das Schlaraffenland einmal waren.
Während wir also keine Utopien und Ideen vor Augen zu haben, zu denen wir aufbrechen könnten, merken wir gleichzeitig, dass unsere Gegenwart immer mehr erodiert und an Orientierung verliert: Wie steht es um das sinkende Vertrauen und die Wut der Jugend in die ältere Generation, die die Corona-Situation kaum nachvollziehbar zu ihren Lasten versucht in den Griff zu bekommen – ähnlich wir im Falle des Klimas? Wie steht es um die daraus folgende, emotionale Verunsicherung? Den wirtschaftlichen Druck, die Armut die durch Jobverluste in Corona-Zeiten entstanden sind? Welche Dramen, welche Schicksale haben sich aus den Gefühlen von Einsamkeit im Lockdown, den Ängsten, der Langeweile und den Überlastungen in bestimmten Berufen ereignet?
Wie wurden die Verhaltensveränderungen der Eltern durch veränderte Tagesstrukturen, Home-Office oder durch Erkrankung eines Elternteils durch die Kinder wahrgenommen? Was wird daraus für die Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes resultieren? Was wird erst geschehen, wenn die Phänomene des Klimawandels noch mehr an Fahrt gewinnen?
Die Zahlen und Planungen, die hochkomplexen und unbeschreiblich umfangreichen, naturwissenschaftlichen Erhebungen und Darstellungen, mit denen wir versuchen, Corona, wie auch dem Klimawandel zu begegnen, sind stets nur die Spitze des Eisberges. Die eigentlichen Kräfte, um die es geht, um die es gehen sollte, die eigentlichen Kräfte mit denen wir lernen müssen umzugehen, liegen viel, viel tiefer.
Es sind gerade die nicht messbaren, die nicht quantifizierbaren, dramatischen Welten, die ihre ganz eigenen Logiken haben. Die Logiken der Emotionen, die Logiken des Schicksalhaften, die Logiken der Tragödie, des Schmerzes, der Komödie, der Freude, des Absurden, der Geschichten und Mythen. Es ist die dramatische Logik, wie sie der Philosoph und Dramaturg Wolf Dieter Enkelmann bezeichnet.
Es ist die Logik die wir in vielfältigen Schattierungen, in all den dramatischen Genres, in immer neuen Varianten kennenlernen. Am Ende wird im Science Fiction wie im Horror, den Thrillern, den Liebeskomödie und den Liebestragödien, den Agentenfilmen, den Western, den Abenteuer- und Fantasy-Filmen nur eines verhandelt: das menschliche Drama in all seinen Facetten und Ausprägungen. Mit der Logik des Dramatischen: den Widersprüchlichkeiten, dem Unauflösbaren, dem Unberechenbaren, dem Nicht-rationalen, Schmerz- wie Freudvollem im menschlichen Sein.
Dramatische Kompetenz
Ja, diese dramatische Logik entzieht sich vermeintlich strengen, mathematisch-naturwissenschaftlichen Logiken. Sie ist kaum bis gar nicht berechenbar, auch wenn es durchaus Versuche gibt, Drehbücher und Geschichten von künstlichen Intelligenzen verfassen zu lassen, sich also dem Drama berechnend zu nähern.
Viel wichtiger als der Versuch, die dramatische Logik den Maschinen beizubringen, wäre es jedoch, mehr Menschen in der Breite dazu zu befähigen, selbst eine dramatische Kompetenz im Umgang mit dieser Logik zu entwickeln.
Dazu würde u.a. zählen, sich selbst und anderen eine gute Geschichte zu erzählen. Sich und die eigenen Gefühle besser ausdrücken zu können – in all ihren Widersprüchlichkeiten und Vielfältigkeiten. In der eigenen, physischen oder virtuellen Präsenz.
Die eigene dramatische, narrative Kompetenz ist es, die es einem am Ende ermöglicht, dem eigenen Leben immer wieder einen Sinn inmitten der dramatischen Veränderungen zu geben: Was erzähle ich über mich? Über meine Arbeit? Meine Familie? Wie spreche ich mit meinen Freunden über die Themen, die mich bewegen? Wer bin ich in diesen Geschichten? Wie spreche ich darin von den anderen? Welche Gefühle bringe ich in meinen Geschichten zum Ausdruck? Wie höre ich den Geschichten der anderen zu und welche Gefühle nehme ich bei ihnen wahr?
Dramatische Kompetenz hilft dabei, all den Stories im Alltag, all diesen Mikro- und Makro-Geschichten aus den Medien, im Netz und im direkten Umfeld eine Stringenz und Sinnhaftigkeit zu geben, oder mit den Absurditäten und Widersprüchen darin kreativ und humorvoll umzugehen – ohne dazu dauerhaft auf diffuse Verschwörungstheorien oder die Mainstream-Erzählungen zurückgreifen zu müssen.
Eine dramatische Kompetenz ist somit auch zentral für die eigene Meinungsbildung von Bürgerinnen und Bürgern. Damit sie ihre Anliegen und überwältigenden Gefühle gesund verarbeiten und kraftvoll artikulieren können. Sie ist ein zentrales Merkmal der Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie, die auch in einer zunehmend unberechenbaren Welt eine starke Gemeinschaft aufrechterhalten wollen. Dies wird nämlich eben nicht allein durch technokratische Anordnungen, durch Gesetze, durch naturwissenschaftlich basierte Berechnung und Wahrscheinlichkeiten oder durch den Markt gewährleistet, sondern auch und womöglich in einem sehr großen Maße durch die Logik des menschlichen Dramas.
Aus dieser Perspektive erscheint auch das wilde Fabulieren von Klimawandel-Leugnern, oder das Agieren der Coronamaßnahmen-Gegner eher als eine Suchbewegung nach alternativen, sinnstiftenden Geschichten – im Angesicht der großen dramatischen Krisen der Erzählungen von Fortschritt, Wachstum, Wohlstand, der Markt-Allmacht und der Zivilisationsgeschichte an sich. Womöglich findet an diesen Orten, in diesen Gemeinschaften auch ein Lernen statt. Erste Schritte zur eigenen, dramatischen Kompetenz, zum eigenen Erschließen der dramatischen Logik – mit all ihren Fehltritten, Fehldeutungen und öffentlichen Zurechtweisungen.
Am Ende wird es darum gehen zu lernen, gemeinsam Geschichten zu erzählen. Geschichten, die verbinden. Geschichten, die Brücken zu anderen Geschichten bauen. Geschichten, die Gefühlen Raum geben, ohne sie gegen andere zu richten. Geschichten, die sich in ihrer Kraft womöglich gegenüberstehen. Die unvereinbar sind, sich aber sein lassen können. Sein lassen in ihrer Sinngebung für die jeweilige Gruppe, die jeweilige Gemeinschaft.
Dabei wird stets die Gefahr bestehen, dass die Geschichten, die in dem Leben der einen Sinn erzeugen, im Leben der anderen den Sinn bedrohen oder gar zerstören, wie es der Philosoph John Grey auf den Punkt brachte.
Es ist eben genau diese fortwährende Gefährdung durch die anderen, das unberechenbar Gefährliche, das die Welt des Dramatischen geradezu auszeichnet – wie es Erfolgsserien wie Breaking Bad oder Game of Thrones auf brutale Art und Weise vorgeführt haben.
Wir müssen lernen, mit diesen gefährlichen Seiten des menschlichen Dramas anders und besser umzugehen als bislang. Wir werden lernen müssen, die über uns hereinbrechenden Ereignissen in ihrer Dramatik kraftvoll in unser (Er-)Leben einzubauen. Dabei sind es nicht nur die spontanen, gefährlichen und schönen Ereignisse und Gefühle, die uns überkommen, sondern eben auch das komplexe, unberechenbare Zusammenspiel all unserer Sinneswahrnehmungen, unserer Körper, der sozialen und kulturellen Werte und Normen, die das menschliche Drama bestimmen.
Wem all diese Gedanken zu wild daherkommen, kann unter den gegebenen, dramatischen Umständen natürlich auch gerne weiterhin allein mit Kosten-/Nutzenrechnungen operieren oder auf Kennziffern und Regeln verweisen.
Was wollen wir herausfinden?
Disziplinen wie die Theaterwissenschaft, die Ethnologie, Film- und Literaturwissenschaften, die Künste insgesamt sind weitaus besser geeignet, uns Anhaltspunkte zu geben, wie wir mit dem Drama des Menschseins umgehen können und sollten, als es die Biologie, die Physik, die Chemie oder eben die VWL und BWL aktuell vorgeben, tun zu können. Blutwerte, das Wissen um Testosteron, das Bepreisen von CO2-Zertifikaten oder Buchungs- und Abschreibungsmöglichkeiten mögen das Potenzial für dramatische Ereignisse beinhalten, was es aber am Ende heißt eine dramatische Kompetenz zu entwickeln, können die naturwissenschaftlichen Disziplinen nicht beantworten.
Die dramatische Logik wird es sein, die es uns ermöglicht, gemeinsam zu trauern und die dazu notwendigen Rituale zu finden. Die dramatische Logik wird uns helfen, uns von Menschen zu verabschieden und neue Bindungen mit anderen einzugehen.
Es wird dramatische Logik und unser kompetenter Umgang mit ihr sein, mit deren Hilfe wir uns Vorstellungen von der Gesellschaft machen werden, mit der wir das 1,5 Grad Ziel erreichen werden. Es werden dramatische Entwicklungen sein, die uns in eine Welt jenseits des erreichten 1,5 Grad-Zieles führen werden. In Welten hinein, die wir uns jetzt anfangen sollten vorzustellen.
1,5 ist eine Zahl. Kein Ziel. Kein emotionales, uns motivierendes, erstrebenswertes Leben. Das menschliche Leben braucht Drama. Ist Drama. Es besteht aus emotionalen, imaginierten oder realen Geschichten. Auch für unsere Zukünfte werden wir die dramatische Logik und somit dramatische Kompetenz brauchen. Die dramatische Logik fragt nicht: „Soll ich oder soll ich nicht?“, sie fragt: „Will ich herausfinden, wie mich eine Entscheidung verändert?“
Je schneller wir damit beginnen, uns häufiger diese Frage der amerikanischen Philosophin L. A. Paul zu stellen, desto schneller werden wir auch Vorstellungen davon haben, wo unsere gemeinsame Reise überhaupt hinzugehen vermag. Und erst, wenn wir uns gegenseitig die Vorstellungen über unsere möglichen Veränderungen, angereichert um kraftvolle Darstellungs- und Ausdrucksweisen, mitteilen, werden wir uns gemeinsam auf den Weg machen können – hinein ins Drama des menschlichen Seins, hinein in Veränderungen, die am Ende womöglich doch anders sein werden als gedacht.
Hinein in das menschliche Drama auf dieser kleinen, blauen Bühne, genannt Erde. Inmitten von endlichem Schmerz, endlicher Freude und umgeben von unendlicher Leere.